Foto: Julia Bongartz

Ich hab’s! Wir machen unseren Reisestil zum Geschäft. Starten ein ganz großes Business. Wir nennen uns Lifestyle Consulting oder Chaos Camping Club. Scheiß egal, wir bieten jedenfalls anderen, die mit ihrem Leben vielleicht nicht ganz im Reinen sind, die überfordert sind mit Job und Familie, deren Leben ein bisschen träge vor sich hinplätschert, die alles mal so richtig hinschmeißen und anders machen wollen – genau denen bieten wir uns als Tourguides an: „Nehmen Sie sich ein Jahr frei, gehen Sie mit uns auf Reisen. Entdecken Sie mit uns die entlegensten Orte Europas. Feiern Sie ein Leben in Natur und Freiheit.“ (Ist natürlich nur ein Trick) Und dann nehmen wir sie mit.

Eine Rücktrittsklausel haben wir erst gar nicht eingebaut. Wir starten schnurstracks im Westerwald und lassen sie dort monatelang auf ihr Reisemobil warten. Alsdann kommen wir mit der klugen Idee um’s Eck, minimalistisch zu reisen und geben Kurse im Innenausbau und in Technikrettung klappriger VW-Busse. Anschließend schließen wir eine kleine Reise an, um unsere Kunden nicht vollständig zu verprellen. Alle sind lustig und vergnügt. Dann satteln wir auf das endlich reparierte Wohnmobil um, bauen es gemeinsam mit unserer zahlenden Kundschaft so richtig aufwendig um. Soll ja schließlich eine first class Wohlfühloase werden. Da kann dann auch der gestresste Controller und die abgearbeitete Investmentfondsverwalterin alles lernen, wozu sie im richtigen Leben keine Zeit hatten: Wasser, Strom, Scheiße, Nähen, Streichen, Tapezieren. Handwerken halt.
Wir haben noch einen kleinen Psychotrick eingebaut, der unsere zahlenden Gäste so richtig an den Rand bringt: Die Kosten für die gebuchte Reise schrauben wir wegen der andauernden Reparaturen langsam, aber auch für unsere wohlsituierten Mitreisenden, spürbar an. Es muss ein bisschen weh tun. Das setzt zusätzliche Stresshormone frei, sodass wir an der vor Schlaflosigkeit langsam aschfahlen Gesichtsfarbe erkennen können, dass wir zum Ende unseres Trainingsprogramms kommen müssen.

Also auf zum Finale: Wenn unsere Kunden mit stolz gefüllter Brust und so richtig selig den Schlüssel ins Schloss ihres nun Lifestyle-Womos stecken, lassen wir sie noch genau bis nach Leverkusen kommen. Und lösen uns und unseren komplettenTreck in Richtung Freiheit mit großem Tamtam in Rauch auf. Da die Häuser unserer zahlenden Gäste natürlich vermietet sind, lassen wir sie kurzfristig noch bei Verwandten unterkommen – alles natürlich im Vorfeld organisiert. Nach etwa einer Woche dämmert’s dann auch dem letzten.

Ende Gelände. Schluss mit Wohnmobil. Aus der Traum.

Was dann passiert? Dann passiert das Wunder. Es geht weiter!

Bei uns ist das so:

  • Wir lassen das Wohnmobil ein letztes mal reparieren und verkaufen es. Genau so wunderschön, wie es jetzt aussieht, soll es irgend jemand anderem Glück bringen. Nachdem wir innerlich losgelassen haben, spüren wir wieder Leben in uns.
    Unsere Ansprüche sind Keller – die Gelassenheit nimmt zwei Stufen die Treppe rauf. Allein schon unser „ganz normales Leben“ erscheint uns wie der süßeste Honig von Kythera.
  • Vom Weltgeschehen halten wir uns fern – uns interessiert erstmal nur das Lächeln im Gesicht unserer Kinder und die Freundlichkeit, die wir überall erfahren. Wir sind zutiefst dankbar. Dafür, dass wir zusammen und immer noch zuversichtlich sind.

Und wir sind verspüren eine große Danlbarkeit all denen gegenüber, die uns auf unserem Weg bis hierher geholfen haben – mit dem Wohnmobil, dem T3, dem Nugget, bei all unseren verrückten Umbauprojekten, die ausnahmslos mit Unmengen an Arbeit verbunden waren. Wir danken also. Ulrich Weinert, der vom Hausumbau bis zum T3- und Wohnmobilausbau immer wieder mit dem Werkzeugkoffer angereist kam, Feli und Olli Sonnen, die unsere Post und damit unser offizielles Dasein in Deutschland verwalten, Knut Simon, Ulrich Weinert, Julia Bongartz, die Fotos von uns gemacht haben, Bettina Blass, Gordon Pankalla und Thorsten Olscha, ohne die es die Website nicht gäbe, Almut Pohl, die immer irgendwo etwas aus dem Hut zaubert, mit dem sie uns unterstützen kann, Leni und Lothar Hoerkens, deren Hilfsbereitschaft weit über die Stadtgrenzen bekannt ist, Stefan Reddemann, der den alten Womo-Kühlschrank rausgesägt und einen funktionierenden eingebaut hat, Hildegard und Dieter Fabig für Nähanleitungen und Beherbergung, wenn’s bei uns zu kalt wurde, Moni und Hubi, dass sie ab und an unserer Kinder aufgenommen haben, Aline und Jörg Scholz dafür, dass sie sich auf unserer Irrfahrt um unseren Nugget gekümmert haben und immer so mit uns bangen, Christoph Heider, Alexander Schmitz, Veith Krüger, Arnulf Christl, Efterpi Kiriaku, Inga und Jan Sondermann, Claudia Wershoven und Hans Spirk für ihre Handwerkseinsätze auf der Baustelle, Margit Negwer und Anja Meibeck für die Verköstigung der ganzen Leute auf derselben, Jörg und Suzanna Schneider, die uns mit ihre opulenten Mahlzeiten in ihrer warmen Küche gewärmt haben, Frank und Nina Stähler, dass sie uns ohne Murren in unserem gemeinsamen Haus in Limbach haben wohnen lassen, ohne das wir auf der Straße gesessen hätten. Wir danken Paul, Fannie und Liv, die nicht nur mitgeholfen, sondern uns oft genug auch wieder aufgebaut haben. Und nicht zuletzt danken wir unseren alten Eltern, die wir immer wieder mit neuen Projektideen und schlussendlich auch mit unserer physischen Dauerpräsenz unter Stress gesetzt haben. Und wir danken dem Team von „Truck Expert“, die das Wohnmobil besser kennen als jeder von uns, die mit uns gelitten und gehofft haben, aber sich von den Tücken der Technik immer wieder überrumpeln lassen mussten. Nach der finalen Reparatur wird das Ding wahrscheinlich laufen bis zum Sankt Nimmerleinstag! Also, haut rein, möge die Macht mit Euch sein! Ach ja, Euch möchte ich auch von Herzen danken, die ihr mit uns lest und und mit uns gelitten habt – Ihr füttert uns mit Energie!

So, das musste jetzt mal sein!

Nach dem Dank kommen die Pläne. Und das ist jetzt für uns so etwas wie unser Wunder! Wir haben wieder ein Ziel. Wir haben uns wieder einmal aus unserem Elend herausgeschält. Noch heute reisen wir Richtung Kalabrien, um dort drei Menschen zu treffen, denen wir ohne das Chaos unserer Odyssee nicht begegnen würden. Robert, Sonia und Aini, die in einem kleinen Dorf ganz am Stiefel von Italien leben und gerade einen Stein ins Wasser geworfen haben, der hohe Wellen schlägt. Wir werden berichten!

Drückt weiter die Daumen. Euer Team vom Chaos Camping Club Mo und Co