Reisen in Europa ohne Roaminggebühren. „Unser Hauptgewinn“, dachte ich mir, als ich erfahren habe, dass die zum Teil sehr hohen Aufschläge für das mobile Telefonieren und Surfen im Ausland ab dem 15. Juni 2017 abgeschafft werden. Doch die „Fair-Use-Klausel“, die verhindern soll, dass man mit Billigkarten aus dem EU-Ausland im Heimatland unterwegs ist, trifft natürlich auch Langzeitreisende. Prinzipiell gilt: Nach vier Monaten ununterbrochener Anwesenheit mit heimischer SIM im Ausland drohen Aufschläge. Wie hoch die ausfallen, ist aber noch nicht klar. Bislang existieren nur Obergrenzen. Wichtig aber ist, dass die Anbieter Kunden zwei Wochen vor Inkrafttreten geänderter Preise informieren müssen.

Ich habe Experten von der Bundesnetzagentur und dem Vergleichportal Verivox angefragt, was genau der Wegfall der Roaminggebühren, aber auch die Fair-Use-Klausel für Langzeitreisende bedeutet. Und was sie jetzt tun sollen.

Ein Überblick in zehn Kapiteln.

1. AUFPASSEN
Der Wegfall der Roaminggebühren in Europa „Roam like at Home“ heißt nicht unweigerlich Telefonieren und Surfen wie im Inland. „Die Regelungen sind kompliziert und vor allen Dingen vertragsindividuell“, sagt Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur. Jeder muss also seinen Vertrag prüfen und das Kleingedruckte lesen. Schade, die Hängematte wird die Roamingverordung schon mal nicht.

2. KALKULIEREN
Wer auf Langzeitreise geht oder bereits ist, muss wie jeder andere sein Telefonier- und Surfverhalten kennenlernen und überprüfen. Wer schon unterwegs ist, wird wahrscheinlich mit SIM-Karten des Gastlandes und mit WLAN-Hotspots operieren. Vielleicht lohnt sich hier der Wechsel zurück? Wer erst nach dem 15. Juni startet, hat Zeit alles Schritt für Schritt vor der Abreise zu…

3. VERGLEICHEN
Bietet mein Anbieter ein attraktives Angebot für meine Telefonie- und Surf- Muster? Oder gibt es günstigere Angebote im Ausland. Das Problem derzeit: „Die Anbieter haben sich noch nicht dazu geäußert, was sie auf Langzeitnutzer im Ausland aufschlagen wollen“, so Reifenberg. Echte Vergleichswerte wird es also erst gegen Ende 2017 geben. „Derzeit hat sich nur O2/Telfonica bereits festgelegt, Kunden nach vier Monaten mit der deutschen SIM-Karte eine Warnung zu senden und nach der Übergangsfrist von 14 Tagen Aufschläge zu verlangen“, sagt Elisa Zelt vom Tarifvergleichsportal Verivox.

4. AUFSCHLÄGE ABWARTEN
Die maximalen Aufschläge, die nach vier Monaten Dauernutzung im Ausland drohen liegen laut Bundesnetzagentur bei 1 Cent/Minute für ankommende Gespräche, 19 Cent für ausgehende Gespräche, 6 Cent für gesendete SMS und 20 Cent pro Megabyte Daten. Das macht 200 Euro für ein Gigabyte Daten – und die sind beim Streamen von Videos rasch zusammen! Allerdings gibt es schon seit 2010 eine Kostenobergrenze von 50 Euro für die mobile Datennutzung. Der Kunde muss vom Mobilfunkanbieter informiert werden, wenn 80 Prozent dieser Kostengrenze erreicht werden. Siehe auch hier!

5. ALTERNATIVEN PRÜFEN
1. Pre- und Post-Paid-Karten im Ausland könnten sich trotz Wegfall der Roaming-Gebühren für Langzeitreisende als die sinnvollere Alternative herausstellen. Allerdings muss man sich überlegen, ob man den Lieben daheim zumuten will, ständig neue Telefonnummern anzuwählen. Einige Handys sind so genannte Dual-SIM-Geräte. Sehr komfortabel – hier lassen sich wie der Name sagt also zwei SIM-Karten einbauen. Ansonsten: Prepaidkarten vielleicht eher für’s Tablet und die Surfabenteuer.
2. Roaming-Pakete: Zudem bieten die Mobilfunkanbieter Roaming-Pakete an, die Länder wie die Schweiz einbeziehen. Das sollte man auf jeden Fall prüfen, bevor mal teuer in den nicht im neuen großen Surf-Paradies befindlichen Ländern Daten lädt oder telefoniert.
3. WLAN nutzen: Wo immer möglich, sollte man verfügbare WLAN-Hotspots nutzen, wenn man gerade in datenintensiven Angelegenheiten unterwegs ist. Filme schauen oder Bilder nach Hause schicken – sicherheitshalber aus dem WLAN.

6. REISELÄNDER AUF ROAMINGGEBÜHREN PRÜFEN
Die neuen Regelungen gelten in den 28 Ländern der EU und in den Ländern Norwegen, Liechtenstein und Island. Nicht dabei sind also die Schweiz, Andorra, Moldawien, Monaco, San Marin, Vatikanstadt, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei. Auch Russland und Weißrussland gehören nicht zum Abkommen über den wegfall der Roaminggebühren in Europa.

7. TELEFONATE AUS DEUTSCHLAND NICHT BILLIGER
Wichtig für die Daheimgebliebenen von Langzeitreisenden: „Wer von Deutschland aus ins Ausland anruft, zahlt weiter den alten Tarif. Hier haben die neuen Roaming-Vereinbarungen nichts geändert“, erklärt Elisa Zelt.

8. ABWARTEN
In den nächsten Monaten werden die Vertragsbedingungen erst wirklich entstehen. Noch gibt es keine Vergleichswerte, was den Anbietern durch die Verordnung durch die Lappen geht. Laut Bundesnetzagentur ist zwar ausgeschlossen, dass die Telefongesellschaften die entgangenen Einnahmen durch pauschale Preiserhöhungen wettmachen wollen. Allerdings drohe laut Aussagen von Elisa Zelt genau das: „Marktexperten fürchten, dass die Unternehmen die entstandenen Verluste auf Inlandspreise aufgeschlagen werden.“

9. AUSNAHMEN BEACHTEN
Das Online-Magazin t3n berichtet von zahlreichen Ausnahmen  von der Regel „Telefonieren und Surfen wie Zuhause“. So haben nach Angaben der Stiftung Warentest 9 von 16 befragten Anbietern noch Fallstricke eingebaut. So genannte Community-Tarife, nach denen im eigenen Netz günstiger telefoniert werden kann, gelten demnach bei den Anbietern Aldi, Edeka, Rossmann oder Tchibo und beim Otelo nicht. T3n nennt noch weitere Ausnahmen: Danach wechseln Telekom-Kunden mit einem Vertrag von vor dem 16. April automatisch in die Option „weltweit“. Hier muss man prüfen, ob das die günstigste Lösung ist. Auch für O2-Kunden der Tarife Data S M oder L wird es nach Aussagen von t3n teurer. Denn O2 schiebt sie automatisch in den „EU-Day-Pack“ zum Preis von 1,99 Euro pro 50 Megabyte.

10. RELAX STATT ROAMING
Schließlich gibt es auf Reisen noch besseres zu tun als ständig online unterwegs zu sein.

Weitere Infos:

FAQs zum Wegfall der Roaminggebühren bietet die Bundesnetzagentur

Stiftung Warentest beschreibt, wie Mobilfunkanbieter iher Leistungen trotz neuer Verordnung einschränken

Auch Verivox beschreibt in einem Beitrag, was sich seit dem 15. Juni 2017 geändert hat