Angekommen!

Wir sind in Badolato, einem Ort mit etwa 150 Einwohnern, ganz im Süden Italiens. Endlich haben wir wieder einmal das Gefühl, wir sind in unserer Reise, wir sind in unserem Leben, angekommen!

Wer nach Lappland reisen will und im tiefsten Süden Italiens landet, dem würde man sicher keinen Kapitänsjob anbieten. Wohl auch nicht den eines LKW-Fahrers. Und auch als Reiseblogger baut man nicht gerade Vertrauen auf. Wer nach Lappland reisen will und in Kalabrien landet, der muss doch blöd oder orientierungslos sein, ganz wahrscheinlich sogar beides. Vielleicht auch nur wankelmütig, irrlichternd, vom Weg abgekommen.

An dieser Stelle muss ich jetzt mal ein Zitat einbauen, von jemandem, der schon vor Jahrtausenden wusste, dass nicht alles so planbar ist, wie die meisten von uns es von ihren Leben heutzutage abverlangen. Ich habe es in einem Werk durch die italienische Geschichte gefunden, genauer gesagt im Vorwort. David Gilmour stellt seiner „Auf der Suche nach Italien“ ein Zitat von Virgil vorab:

„Italiam non sponte sequor“, was er mit „Eigener Trieb führte mich nicht nach Italien (sondern das Geheiß der Götter))“

übersetzt. Und dieses Zitat passt eben auch auf uns als diejenigen, die ihre Richtung grob verfehlt haben. Nur, dass unser ‚Geheiß der Götter‘ eine Anzeige in Workaway war, die nur vier Tage online geblieben ist, und dann wegen einer so großen Zahl an Zuschriften wieder deaktiviert werden musste.

Was stand darin? Und warum haben wir überhaupt in Workaway gestöbert?

Ihr wisst von unserem Fahrzeugchaos. Nachdem wir wieder ohne Wohnmobil in Köln gestrandet waren, stand es um unsere geistig-moralische Stimmung nicht zum Besten. Wir waren nicht irgendwie down, wir fühlten uns ganz unten. Auf der Couch meiner Mutter in Köln-Ehrenfeld war es zwar annehmlich, aber na ja, nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten.

Ehrlich gesagt, wussten wir nicht mehr weiter. Kein Ort der Welt schien uns etwas zu sagen zu haben. Lappland ohne unser wintertaugliches Wohnmobil unerreichbar, der Rest der Welt – für uns uninteressant. Wir hatten das Interesse an unserer Reise verloren, an unserem Traum.

Selbst das Blättern in Workaway war wie ein Stochern im Grau der Kölner Märzluft – zäh und kalt.

Gefühlte zigtausend Jobangebote weltweit, nichts erschien auch nur annähernd denkbar für uns, unser Traum war mit unserem Wohnmobil zerplatzt.

Da stach mir diese Anzeige von Robert ins Auge: „An eco and unschooling village has been born“. Und dann beschreibt da einer seine Vorstellung von einem freien Leben, vom gemeinsamen Lernen, einem Leben in der Natur. Das alles klingt für uns Gestrandete zu schön, um wahr zu sein. Kurzum: Wir haben geantwortet, Robert hat uns eingeladen zu kommen und eine Woche später waren wir in Badolato.

So kann’s also gehen. Dort angekommen, standen wir erst einmal ein paar Tage auf der fast menschenleeren Piazza des kleinen Ortes und kamen kaum aus unserem nunmehr dritten Mobil dieses Sabbaticals nicht heraus, weil es so sehr regnete. Die Straßen des Dorfes waren überschwemmt von Sturzfluten, der Himmel grau und trist. Als letztes Wochenende ein Beitrag von mir in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist, in dem ich in zehn Schritten beschreibe, wie man eine solche Langzeitreise mit Kindern organisiert, dachte ich bei mir: Die Organisation einer Langzeitreise ist geradezu ein Spaziergang im Vergleich zu deren Durchführung. Aber das gehört dann wohl in den Folgebeitrag.

Nachdem der Regen nachgelassen hatte, fühlten wir uns in diesem kleinen Ort, als wären wir endlich einmal irgendwo angekommen.
Das lag und liegt vor allem an den Menschen, die wir hier getroffen haben. An Robert, Sonia und Aimi, die in Badolato leben und uns einen Empfang bereitet haben, der dem sanften Schwung in einer Hängematte gleicht. Sie haben uns verköstigt, uns das Dorf gezeigt, uns nach uns nach in ihre Welt, ihre Ideen, ihre Lebensweise eingelassen. An Mimmo und Pina, die das kleine Restaurant am Platz betreiben, und die uns schon in unseren ersten Tagen mit einem stets freundlichen Lächeln und dem Schlüssel zu ihren Sanitäranlagen unser Dasein erleichtert haben. An Pepe, der uns auf seinen Feldern mit frisch gepresstem Organgensaft überraschte. An den etwa 150 Badolatoern, die uns alle zu kennen scheinen und uns wahrnehmen, das ein oder andere Glas selbst gemachten Wein mit uns teilen.

Das Gefühl des Ankommens liegt natürlich auch an diesem Ort selbst, den ich Euch in den nächsten Tagen noch genauer beschreiben werde – denn eine derart pittoreske kleine Stadt gibt es nicht mehr oft zu sehen. Wer hier durch die kleinen Gassen die steilen Anstiege rauf kriecht oder in den verwinkelten Gassen ein wenig innehält – der wünscht sich nichts sehnlicher, als malen zu können. Diese vergängliche Schönheit festhalten zu können – nicht nur im Foto, wie die wenigen Touristen, die den Ort über Ostern für ein paar Tage bevölkert haben. Man möchte malen und schreiben, musizieren, sehen und fühlen. Der Ort hat eine gewisse Magie, der man sich unweigerlich nähern möchte, sie verstehen. Eine Zeitreise wäre wohl auch eine gute Idee. Oder zumindest eine realitätsnahe Augemnted-Reality-Visualisierung dieses Ortes – jetzt und in seiner Vergangenheit. Ich will noch nicht zu viel verraten, aber in den nächsten Tagen nehme ich Euch mit in dieses Gewirr aus Gassen, Winkeln und verlassenen Häusern.

Bis dahin wisst ihr: Wir sind angekommen. Die Worte, die nicht mehr aus mir herauswollten, fließen wieder. Die Kinder und ich berichten, was wir hier in Badolato bislang erlebt haben. Und Ihr werdet in den nächsten Wochen und Monaten wieder mit uns reisen dürfen. Unsere Pläne: Sizilien, rumreisen mit unseren mittlerweile Freunden aus südtirol, und dann wieder einkehren nach Badolato und eine Weile bleiben. Ich merke, wir sind alle absolute Slow Traveller.