Dieses Bild ist vorgestern entstanden. Liv hat es gemalt, während wir anderen zerknirscht um den Tisch saßen. Es gibt ziemlich exakt die Szene wider, die einen Tag zuvor unsere Pläne mal wieder in Luft aufgelöst hat:

Ich stehe mit Liv auf dem Arm hinter dem Womo, neben mir Paul und Fannie, alle drei sind nur mit Socken bekleidet. Schaut mal auf die Mundwinkel in Livs Bild. Andi rennt als letzter aus dem qualmenden Womo und blickt ziemlich verstört auf die Situation vor uns. Innerhalb weniger Sekunden war das Wohnmobil zuvor in Rauch gehüllt. Ich konnte die Kinder nicht mehr sehen, die angeschnalt auf ihren Plätzen saßen. Ich rief nur „Raus hier“ und Bruchteile später standen wir auf der Überholspur irgendwo auf der A1 bei Leverkusen. Paul hatte sogar Charlie am Halsband genommen und die Leine gegriffen – was für eine Umsicht.

Jedenfalls sind wir bis Leverkusen gekommen – was ja bekanntlich kaum an Lappland grenzt. Eine Erfahrung mehr mit unserem Herrn Niesmann, nachdem wir

  • das Wohnmobil zehn Monate in der Werkstatt hatten und ich in meinem laienhaften verhaltenen Optimismus dachte, an dem Niesmann können nun nichts mehr kaputt gehen
  • unsere Reise erst mit dem T3 begonnen hatten und vier Monate minmalistisch (aber glücklich) gereist waren und wir nun endlich auch zu den Möchtegern-Minimalisten mit allem Komfort gehört hätten.

Dazu hatten wir mehr als vier Wochen den gesamten Innenraum des Niesmann generalüberholt und ein Traum-Womo daraus gezaubert. Das alles hat ungeheuer viel Kraft gekostet und natürlich auch Geld. Derzeit steht das Wohmobil vollegstopft mit unserem Equipment für den hohen Norden wieder in der Werkstatt. Deren gesamtes Team unter Schock stand. Sie hatten so mit uns gelitten, und alle sgetan, um uns wieder auf die Straße zu bringen – in der Endphase sogar unentgeltlich – nur, damit wir unseren Traum von einem freien gemeinsamen Jahr leben können.

Gestern haben wir ein paar wenige Sachen eingepackt und wohnen bei meiner Mutter in Köln.

Aus unserem Traum eines Jahres auf Reisen wird mehr und mehr eine Irrfahrt, die immer wieder vor der Haustür endet.

Soll uns das Ganze etwas sagen?

Ich hatte immer einen Bilderwitz vor Augen, den ich mal als Kind in einer Zeitung gesehen hatte. Da brechen drei Sträflinge aus dem Knast und überwinden eine Mauer nach der anderen. Irgendwann sind sie derart erschöpft, dass sie aufgeben. Nur der Betrachter sieht, dass sie von 100 zu überwindenden Mauern noch eine letzte hätten in Angriff nehmen müssen, um in Freiheit zu sein. Das hat mich in all der Zeit mit dem Niesmann immer wieder bewogen, weiter zu machen. Andi hatte so eine Energie beim Innenausbau. Er hat wirklich alles in die Hand genommen, was in dem Fahrzeug verbaut war. Der komplette Wasserkreislauf war marode, der Kühlschrank defekt, die Elektrik schrott, vom Sanitärbereich kaum zu reden. Ich habe drei Wochen nur genäht. Wir haben gebaut, geschliffen und gestrichen, Uli und Paul haben Kabel, Steckdosen und indirekte Beleuchtung verlegt. Es gibt Solarstrom, einen Fernseher mit Satellitenschüssel – allein, der Niesmann will uns nicht transportieren.

Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Andi steht immernoch unter Schock. Bei mir selbst spüre ich das leichte Erwachen von Widerstand. Das könnte sich zu einem Trotz auswachsen, so groß wie ein Baum und so stark wie ein Pferd (letzteres stammt aus einem Kinderbuch).

Was wir allerdings definitiv wissen: Wir haben uns, sind gesund und unverletzt. Das Neuland, das wir betreten haben, ist nicht ganz das, was wir uns vorgestellt haben, aber es will uns irgend etwas sagen. Wir versuchen, genau hinzuhören.